Dok. 24
Dok. 24: Brief des Eusebius von Caesarea an seine Kirche über die Synode von Nicaea (Urk. 22)
1 Von den Verhandlungen über den kirchlichen Glauben auf der großen, in Nicaea versammelten Synode habt ihr, Geliebte, wahrscheinlich schon von anderen erfahren, da gewöhnlich das Gerücht dem genauen Bericht über die Ereignisse vorauseilt. Aber damit euch die wahren Vorfälle nicht durch derartige Gerüchte verzerrt berichtet werden, sind wir gezwungen, euch zunächst den von uns vorgelegten Text über den Glauben und anschließend den zweiten Text, den man nach Einfügen von Zusätzen in unseren Vorschlag veröffentlicht hat, zuzuschicken.
2 Unser Schreiben also, das in Gegenwart unseres gottgeliebtesten Kaisers vorgelesen und für gut und annehmbar befunden worden ist, lautet folgendermaßen:
3 »Wie wir es von den Bischöfen vor uns in der ersten Katechese und damals, als wir die Taufe empfingen, übernommen haben, wie wir es aus den göttlichen Schriften gelernt und im Presbyteramt und im Bischofsamt selbst geglaubt und gelehrt haben, so glauben wir auch jetzt und empfehlen euch unseren Glauben; er ist aber folgender:
4 Wir glauben an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge, und an einen Herrn Jesus Christus, Gottes Wort, Gott von Gott, Licht von Licht, Leben von Leben, eingeborener Sohn, Erstgeborener vor aller Schöpfung, vor allen Äonen aus dem Vater gezeugt, durch den auch alles geworden ist; der um unserer Erlösung willen Fleisch wurde, unter den Menschen wohnte und litt und am dritten Tag auferstand und hinaufging zum Vater und wiederkommen wird in Herrlichkeit zu richten die Lebenden und die Toten. Wir glauben aber auch an den heiligen Geist.
5 Wir glauben, daß jeder von diesen da ist und existiert, der Vater wahrhaftig als Vater, der Sohn wahrhaftig als Sohn und der heilige Geist wahrhaftig als heiliger Geist, wie es auch unser Herr sagte, als er seine Jünger zur Verkündigung aussandte: »Geht hin und lehrt alle Völker und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.« Und in Bezug auf sie versichern wir, daß wir es so halten und so denken und schon immer so gehalten haben und bis zum Tod an diesem Glauben festhalten werden und entsprechend jede gottlose Häresie verdammen.
6 Wir bezeugen, daß wir dies mit Herz und Seele schon immer gedacht haben, seitdem wir unser selbst bewußt sind, und auch jetzt in Wahrheit so denken und reden über Gott, den Allmächtigen, und unseren Herrn Jesus Christus, und wir können euch mit Beweisen zeigen und davon überzeugen, daß wir auch in vergangenen Zeiten so geglaubt und verkündet haben«.
7 Gegen den von uns vorgelegten Glauben gab es keinen Raum für Widerspruch, sondern sogar unser gottgeliebtester Kaiser bezeugte selbst als erster, daß er das Richtige enthalte. Er stimmte zu, daß er selbst so denke, und befahl allen, diesem Glauben beizupflichten, die Glaubenssätze zu unterschreiben und sich darauf zu einigen; nur das eine Wort »wesenseins« solle hinzugefügt werden, welches auch er selbst mit folgenden Worten erläuterte: der Sohn werde nicht »wesenseins« genannt hinsichtlich eines körperlichen Leidens, er entstehe weder durch Teilung noch durch irgendeine Abtrennung vom Vater; denn es sei unmöglich, daß die immaterielle, geistige und körperlose Natur irgendeinem körperlichen Affekt unterliege, sondern es sei angemessen, diese Dinge in göttlichen und unaussprechlichen Worten zu denken. Solchermaßen philosophierte also unser weisester und frömmster Kaiser, sie aber, unter dem Vorwand des Zusatzes »wesenseins«, verfaßten folgenden Text:
8 »Wir glauben an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge; und an einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, als Eingeborener gezeugt aus dem Vater, das heißt aus dem Wesen des Vaters, Gott von Gott, Licht von Licht, wahrer Gott von wahrem Gott, gezeugt und nicht geschaffen, wesenseins mit dem Vater, durch den alles wurde, was im Himmel und auf Erden ist, der für uns Menschen und um unseres Heils willen herabstieg und Fleisch wurde, der Mensch geworden ist, litt und am dritten Tag auferstand, aufstieg in die Himmel, der kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten; und an den heiligen Geist. Die aber sagen, ›es war einmal, daß er nicht war‹ und ›er war nicht, bevor er gezeugt wurde‹ und ›daß er aus nichts wurde‹ oder die behaupten, er sei aus einer anderen Hypostase oder einem anderen Wesen, oder aber sagen, der Sohn Gottes sei geschaffen, wandelbar oder veränderlich, diese verdammt die katholische und apostolische Kirche.«
9 Nachdem aber dieser Text von ihnen vorgetragen worden war, haben wir ihnen nicht ungeprüft durchgehen lassen, wie das »aus dem Wesen des Vaters« und das »mit dem Vater wesenseins« von ihnen gemeint sei. Deswegen nämlich wurden Nachfragen und Antworten angestoßen, und in der Diskussion wurde der Sinn der Worte geprüft. Und schließlich haben sie sich darauf verständigt, daß »aus dem Wesen« darauf hinweise, daß er zwar aus dem Vater sei, aber gewiß nicht als Teil des Vaters existiere.
10 Aber auch uns schien es richtig zu sein, dieser Ansicht zuzustimmen, da die fromme Lehre besagt, der Sohn sei aus dem Vater, ohne sogleich ein Teil seines Wesens zu sein. Daher haben auch wir dieser Ansicht zugestimmt und auch den Ausdruck »wesenseins« nicht abgelehnt, da wir einerseits das Ziel des Friedens und andererseits das Ziel, nicht von der richtigen Ansicht abzufallen, im Blick hatten.
11 Entsprechend haben wir aber auch das »gezeugt und nicht geschaffen« akzeptiert, nachdem sie gesagt hatten, das »geschaffen« sei die Bezeichnung für die übrigen Geschöpfe, die durch den Sohn geworden sind, mit denen der Sohn nichts gemein hat. Er sei doch kein Geschöpf wie die durch ihn Gewordenen, sondern er habe ein erhabeneres Wesen als jedes Geschöpf, das, wie es die göttlichen Schriften lehren, so aus dem Vater gezeugt worden ist, daß die Art und Weise seiner Zeugung für jede geschaffene Natur unaussprechlich und unbegreiflich sei.
12 So hat die Diskussion auch das »der Sohn ist dem Vater wesenseins« geprüft und verstanden, und zwar nicht nach Art und Weise der Körper, auch nicht vergleichbar mit den sterblichen Wesen, nämlich nicht nach einer Teilung oder Abtrennung des Wesens, aber auch nicht zufolge irgendeines Affektes oder eines Wandels oder einer Veränderung des Wesens und der Kraft des Vaters. Denn allem diesem sei die ungewordene Natur des Vaters fremd.
13 Aber das »wesenseins dem Vater« zeige, daß der Sohn Gottes keinerlei Ähnlichkeit mit den gewordenen Geschöpfen habe, sondern allein dem Vater, dem Erzeuger, in jeder Hinsicht gleiche und nicht aus irgendeiner anderen Hypostase oder anderem Wesen, sondern aus dem Vater sei. Es schien uns richtig zu sein, auch diesem Ausdruck zuzustimmen, nachdem er auf diese Art und Weise ausgelegt worden war, insbesondere da wir von einigen älteren Gelehrten, ausgezeichneten Bischöfen und Schreibern wußten, daß sie in der Lehre über Gott in Bezug auf den Vater und den Sohn den Begriff »wesenseins« verwendet hatten.
14 Dieses sei also zu der Glaubenserklärung angemerkt, der wir alle nicht ohne Prüfung zugestimmt haben, sondern entsprechend der vorgelegten Erläuterungen, welche in Anwesenheit des gottgeliebtesten Kaisers selbst untersucht worden sind und vor dem Hintergrund der genannten Überlegungen Zustimmung erfahren haben.
15 Auch die Verurteilung, die von ihnen mit der Glaubenserklärung herausgegeben worden ist, haben wir für schadlos gehalten, da sie den Gebrauch von schriftfremden Ausdrücken ausschließt, weshalb doch beinahe die ganze Verwirrung und Aufregung in der Kirche entstanden ist. Da nämlich keine von Gott inspirierte Schrift »aus nichts« und »es war einmal, daß er nicht war« und die übrigen Beschreibungen verwendet, schien es nicht vernünftig, diese anzuwenden und zu lehren. Dem haben auch wir zugestimmt, da es sinnvoll erschien, nachdem wir auch in der früheren Zeit nicht gewohnt waren, diese Wörter zu gebrauchen.
16 Ferner haben wir auch die Verurteilung von »vor der Zeugung war er nicht« keineswegs für abwegig gehalten, weil von allen das Sein des Gottessohnes vor seiner fleischlichen Zeugung bekannt wird. Aber schon unser gottgeliebtester Kaiser hat das Argument dafür gebracht, daß er hinsichtlich seiner innergöttlichen Zeugung auch vor allen Äonen ist, da er vor seiner wirksamen Zeugung der Macht nach ungezeugt in dem Vater ist, da der Vater immer Vater ist sowie auch immer König und immer Erlöser; alles ist er der Macht nach, und immer bleibt er in jeder Hinsicht und in jeder Weise gleich.
17 Diese Ausführungen haben wir euch notwendigerweise zugeschickt, Geliebte, und euch deutlich das Ergebnis unserer Untersuchung und unsere Zustimmung vorgestellt, außerdem, wie wir aus gutem Grund damals und bis zur letzten Stunde Widerstand geleistet haben, solange uns der fremde Text anstößig war, wie wir dann aber ohne Streitsucht den nicht mehr anstößigen Text akzeptiert haben, als uns der Sinn dieser Worte nach unserer sorgfältigen Prüfung mit unserem eigenen Bekenntnis in der vorgelegten Glaubenserklärung übereinzustimmen schien.